Lambach – Haag am Hausruck
23. Juli 1901. Die Aktiengesellschaft der Lokalbahn Lambach – Haag am Hausruck eröffnet die gleichnamige Lokalbahn. Erschlossen wird mit ihr das Gebiet zwischen Neumarkt-Kallham im Norden, Wels im Osten, Attnang-Puchheim im Süden und Ried im Innkreis im Westen. Neben der Salzkammergutbahn, die Stainach-Irdning über Attnang-Puchheim mit Schärding verbindet und ebenfalls über die Hügelkette des Hausrucks verläuft, ist die kleinere Lokalbahn die zweite Bahnlinie, die das oberösterreichische Mittelgebirge erschließt. Den Betrieb der Lokalbahn vergab die Aktiengesellschaft an die kkStB, also an die staatliche Eisenbahngesellschaft des Kaiserreiches. 1930 wurde die Aktiengesellschaft aufgelöst und die Bahnstrecke fiel an die BBÖ. Diese hatte jedoch nur geringes Interesse an dem defizitären Betrieb der Lokalbahn und wollte diese schnellstmöglichst einstellen. Genau dies wollte die Verkehrsgesellschaft Stern & Hafferl jedoch unterbinden und bat darum, die Betriebsführung der Strecke übernehmen zu dürfen. Bereits ein Jahr zuvor hatte Stern & Hafferl den Betrieb der ebenfalls einstellungsgefährdeten Lokalbahn Lambach – Vorchdorf übernommen. 1933 übernahm Stern & Hafferl schließlich die Betriebsführung der Haager Lies; und begannen sogleich damit, den Betrieb fit für die Zukunft zu machen.
Die gut 26 Kilometer lange Lokalbahn sollte nämlich elektrifiziert werden. Die Firma hatte durch den Betrieb einiger anderer Strecken bereits einschlägige Erfahrung mit dem Bau und dem betrieb elektrischer Bahnen. Man entschied sich für den Betrieb mit 750 Volt Gleichstrom. Wie sich später noch zeigen soll, erschwerte diese Entscheidung den Betrieb in der Zukunft. Zunächst lief aber alles gut. Den Betrieb übernahmen zwei zweiachsige Triebwagen. Den 2. Weltkrieg überstand die Strecke weitgehend unbeschadet, aber es drohte von anderer Seite Veränderung. Seit Beginn des Krieges liefen die Arbeiten zur Elektrifizierung der Westbahn. Bis Kriegsende hing die Oberleitung bereits bis Attnang-Puchheim. Nachdem die drängensten Kriegsschäden beseitigt waren, machte man sich daran, die Elektrifizierung weiter voran zu treiben; doch genau dort hin ja die Oberleitung der Lokalbahn, die nicht mit 15kV Wechselstrom, sondern mit 750 Volt Gleichstrom betrieben wurde. Wie heisst es so schön: Der Ober sticht den Unter, und so musste die Oberleitung der Lokalbahn abgebaut und der Betrieb einstweilen wieder auf Dampfloks umgestellt werden. Dieser Umstand war selbstverständlich höchst unbefriedigend, so dass sich die Werkstatt von Stern & Hafferl daran machte, eine fahrzeugseitige Lösung zu finden. Heute ist die Mehrsystemfähigkeit von Triebfahrzeugen kein Thema mehr, ende der 1940er Jahre sah das noch ein wenig anders aus, zumal Baumaterial knapp war. Die betriebseigene Werkstätte in Vorchdorf baute jedoch trotzdem ein Fahrzeug mit Transformator und Quecksilberdampfgleichrichter, welches den Betrieb unter zwei verschiedenen Stromsystemen ermöglichte. 1950 konnte das erste von insgesamt zwei Fahrzeugen dem Betrieb übergeben werden, und so der elektrische Verkehr zwischen Haag am Hausruck und Lambach wieder aufgenommen werden.
Der Betrieb mit den Gleichrichterwagen war nicht gerade einfach. Sie verkehrten jeweils gekuppelt mit einem der beiden Personentriebwagen. Der in Richtung Haag fahrende Zug hängte den Gleichrichterwagen im Bahnhof Bachmanning ab und ließ ihn dort für den Gegenzug stehen. Den Rest der Wegstrecke legte der zweiachsige Personentriebwagen dann alleine zurück. Erleichterung erfuhr der Betrieb erst mit den beiden neu gekauften Triebwagen 25.103 und 25.104, die diese Technik bereits fest eingebaut hatten. Der umständliche Betrieb mit den Gleichrichterwagen war fortan nur noch im Güterverkehr nötig, bis dieser in den allerletzten Betriebsjahren auf Diesellok umgestellt wurde.
Die Fahrgastzahlen waren aber auch in den weiteren Jahren nicht berauschend und die fortschreitende Individualisierung des Motorverkehrs trug nicht gerade dazu bei, dass mehr Fahrgäste auf die Bahn umstiegen. Während unter der Woche mit bis zu sieben Zugpaaren noch ein relativ regelmäßiger Verkehr stattfand, verkehrten Samstags nur noch zwei und Sonntags gar nur noch ein Zugpaar. Hier drängt sich unweigerlich das Wort „Alibizugpaar“ auf.
Bereits Ende der 1940er Jahre brachten Modernisierungsarbeiten an der Westbahn einschneidende Veränderungen für die Haager Lies, Anfang des neuen Jahrtausends sollte das selbe noch einmal passieren. Diesmal war es natürlich nicht mehr die Elektrifizierung, deren Auswirkungen die Werkstätte in Vorchdorf mit viel Sachverstand noch etwas positives abgewinnen konnte. Diesmal kam es jedoch für die Lokalbahn noch schlimmer. Die Westbahn sollte ausgebaut und für höhere Geschwindigkeiten ertüchtigt werden. Die höhengleiche Einfädelung der Lokalbahn hätte durch ein kreuzungsfreies Bauwerk ersetzt werden müssen. Der schlechte Allgmeinzustand der Bahnlinie nach Haag sowie die geringen Fahrgastzahlen ließen jedoch Investitionen in Millionenhöhe utopisch erscheinen, so dass der Betrieb der Lokalbahn nach 108 Jahren am 12.12.2009 eingestellt wurde.
Quellen:
- „Haager Lies“ auf alpenbahnen.net. Kurze Info mit vielen historischen Bildern.
- Bahnstrecke Lambach – Haag am Hausruck in der deutschsprachigen Wikipedia
- Verzeichnis der Fahrzeuge von Stern & Hafferl, Wikipedia
- Die Firmengeschichte von Stern & Hafferl.
- Die Bahnstrecke Lambach – Haag am Hausruck auf den Seiten des „Dokumentationszentrum für Europäische Eisenbahnforschung„.
- „Das Ende der Haager Lies 1901 – 2009„, Video von Jonas Stelzhammer auf YouTube.
- Typenblatt des Gleichrichterwagens EGL 25.052
- „Zugverkehr auf der Haager Lies eingestellt„, http://bahnbilder.warumdenn.net
- Fotoserie von Michael Heussler
Schreibe einen Kommentar