Deggendorf – Kalteneck
Die „Vorwaldbahn“ von Deggendorf nach Kalteneck verband ab 1914 die beiden Bahnstrecken Platting – Eisenstein mit der östlicher gelegenen Strecke Passau – Freyung. Auf der langen Strecke blieb es nicht aus, dass die anzuschießenden Gemeinden verschiedene Vorstellungen hatte, wie der Bahnanschluss denn nun auszusehen hatte. Während Hengersberg eine Anbindung an Deggendorf favorisierte, wollte die Gemeinde Eging lieber eine Bahnstrecke nach Vilshofen, was jedoch eine Brücke über die Donau nötig gemacht hätte. Tittling wiederum, im östlichen Teil der Strecke gelegen, tendierte Richtung Passau. Wegen der verschiedenen Vorstellungen der Gemeinden projektierte die Staatsbahn einen eigenen Vorschlag. Diese sah eine Durchgangslinie von Deggendorf über Hengersberg und Eging nach Kalteneck vor. Solche Durchgangslinien waren selten im Netz der bayerischen Lokalbahnen. Vor allem die Gemiende Aicha war mit dem Vorstoß keineswegs einverstanden, da die Bahnlinie den Ort „links liegen“ lassen würde. Es half den Aichaern aber nichts, die Strecke wurde im Jahr 1908 genehmigt und 1910 mit dem Bau begonnen.
Eröffnet wurde die Strecke in insgesamt drei Abschnitten. Zuerst im November 1913 die Abschnitte Deggendorf – Hengersberg und Tittling – Kalteneck, das Mittelstück von Hengersberg nach Tittling wurde am Tag der Kriegserklärung Deutschlands an Russland und dem Eintritt in den 1. Weltkrieg eröffnet.
Schon in der Frühzeit der Strecke gab es hier eigene Güterzüge. Auch das ein Umstand, der auf bayerischen Lokalbahnen eher selten vorkam. Eging war Betriebsmittelpunkt und wichtigster Bahnhof für den Bahnbetrieb. Hier wurden die Lokomotiven versorgt, hier arbeiteten Lokführer, Heizer und Zugführer der Strecke und hier fand auch die Zugbildung statt. Über die Jahre hinweg befuhren meist 4 bis 5 Zugpaare die Strecke, die unterschiedlich lange Aufenthaltszeiten in Eging hatten. Ab 1934 kamen neben den allgegenwärtigen Dampfloks auch hochmoderne Dieseltriebwagen im Personenverkehr zum Einsatz.
In den späten Kriegsjahren des 2. Weltkrieges hatte die Strecke viele militärische Transporte abzuwickeln. Truppenverlegungen und Transportzüge nutzten auf ihrem Weg von Norden nach Süden Strecken, welche den Amerikanern noch nicht in die Hände gefallen waren. In den letzten Kriegstagen kam es auf dieser Strecke zu einem der schlimmsten Kriegsverbrechen in Niederbayern. Ein Zug mit Häftlingen aus dem KZ Buchenwald war auf dem Weg in das KZ Dachau, musste jedoch wegen der Entgleisung eines vorausfahrenden Militärzuges mehrere Tage in Nammering Halt einlegen. Die Wachmannschaften der SS gingen mit aller Brutalität gegen die ausgehungerten Menschen vor. Fast 800 Häftlinge verloren in Nammering ihr Leben. In Erinnerung an die Ereignisse wird alle 10 Jahre in der kleinen Gemeinde eine Gedenkveranstaltung abgehalten.
In der Nachkriegszeit wuchs der Zugverkehr zunächst wieder an. Die allgegenwärtigen Schienenbusse waren ab den 1960er Jahren das deutlichste Merkmal für den Fahrgast, dass eine neue Zeit der Nebenbahn anbrach. Aber auch in Sachen Sicherungstechnik wurde auf unserer Bahn investiert. Der Bahnhof Schöllnach erhielt 1965 ein Drucktastenstellwerk und somit Lichtsignale. Für eine bayerische Nebenbahn zu dieser Zeit durchaus keine Selbstverständlichkeit! Jedoch lag die Strecke schon in ihren letzten Zügen. 1972 wurde der Personenverkehr von Eging nach Kalteneck eingestellt. Ein halbes Jahr darauf folgte der Güterverkehr zwischen Tittling und Kalteneck. Es sollte zwar noch etwas dauern, aber im Jahr 1981 traf es dann wieder den Personenverkehr, nun auf dem verbliebenen Abschnitt zwischen Deggendorf und Eging. 1995 schließlich fiel der Hammer auf dem Abschnitt von Eging nach Tittling, 2002 folgte dann noch der Abschnitt von Hengersberg nach Eging, so dass wir den heutigen Zustand erreichten.
Nach dem Abbau der Gleisanlagen wurde auf dem Bahnkörper der Donau-Ilz-Radweg eröffnet. Folgen wir ihm nun von Hengersberg nach Kalteneck.
Quellen:
- Siegfried Bufe: Nebenbahnen im Passauer Land. Egglham 1998, ISBN 3-922138-66-7
- Bernhard Rückschloß: Nebenbahn Deggendorf – Eging. Deggendorf 2004, ISBN 3-934726-16-X
- Wikipedia: Todeszug aus Buchenwald
- Kölner Stadt Anzeiger, 11.11.2008 – „Leichen aus den Waggons geworfen„
- Die Geschichte der Bahnstrecke Deggendorf – Tittling – Kalteneck im Überblick, Max Mader und Herbert Zauhar, 2007 [pdf]
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